Es gibt für fast alle Lebenslagen irgendein Leitfaden. Es brennt? Bitte verlassen Sie das Gebäude in Ruhe und begeben sich zum Sammelplatz. Überfall? Bitte verhalten Sich sich ruhig, drücken den Notknopf, wählen 110. Ein Unfall? Bitte handeln Sie nach den Ersthelfergeboten. Ich könnte ewig weitermachen, was ich damit sagen will: So viele Situationen und so viel Wissen, so viel Vorbereitung, nur auf den Tod deines Kindes hat dich keiner vorbereitet. Auf das Leben danach.
Wo ist denn da mein Leitfaden? Wieso sagt mir keiner, dass ich mich bitte ruhig verhalten und zum Sammelplatz begeben soll? Ein Leitfaden zurück ins Leben… das wär’s. Aber dafür ist die Trauer, die Liebe, der Tod wohl zu individuell oder eben einfach nicht present genug obwohl es wohl das Einzige ist was uns Menschen wirklich eint.
Und doch gäbe es so Einiges was alle Eltern machen können, machen sollten die ein Kind verlieren. Ein Beispiel ist Reden. Wäre die Möglichkeit zum Reden doch nur einfacher, zugänglicher, es ist so hilfreich, der Tod ist kein Tabuthema. Der Austausch, das Gefühl mitten im Nebel, mitten in der Nacht nicht alleine zu sein, man bläst ins Nebelhorn und plötzlich kommt von überall her Antwort.
Aber auch die professionelle Gesprächshilfe, sie müsste zugänglicher sein, bezahlbarer, eine Kassenleistung. Ein gebrochenes Herz braucht keine Medikamente, sondern ein Stimme die sagt, erzähl mir von deinem Schmerz, ich kann es nicht leichter machen, aber ich höre dir zu, ich ertrage dich in deinem Kummer, ich ertrage deinen Schmerz. Ich erinnere mich mit dir an dein Kind.
Vieles würde den Schritt zurück ins Leben leichter machen durch Reden. Ich hatte das große Glück nach Maries Geburt den vollen Mutterschutz gewährt zu bekommen, nur war dies längst nicht genug um wieder in einen Alltag zurückzukehren. Krankschreiben darf dich aber nicht dein Trauertherapeut, nein, dies darf nur ein Arzt. Ein Arzt der fand, dass ich das doch gut machen, mir einen Wiedereingliedrungsplan in die Hand drückte mit einem Rezept für Antidepressiva. Ich war aber nicht depressiv, sondern traurig weil mein Kind tot war. Ich bin nicht nochmal hin. Statt einer weiteren Krankmeldung schickte ich meine Kündigung an meinen Arbeitgeber. Hätte ich mehr Zeit bekommen, mehr reden können, ich wäre vermutlich zurück, es hätte mir geholfen, mehr Zeit, mehr reden.
Missstände für Eltern die den Tod des Kindes ertragen müssen. Nach einem Unfall gibt es Reha. Für uns gibt es den Schubs ins Wasser und entweder du schwimmst oder du gehst unter, zumindest schluckst du verdammt viel Wasser bevor dich das Wasser irgendwo an Land spuckt und du fängst bei Null an. Robinson Cruso. Wie schön wäre es, wenn es anders wäre.